Anlässlich des 100. Todestags des "Augsburger Stararchitekten" Jean Keller am 20.November 2021 wurde im Rahmen eines Masterprojekts im Studiengang Architektur an der Hochschule Augsburg der Architekt und eine Auswahl seiner bekannteren Werke näher untersucht und gewürdigt. Die Ergebnisse sollen nun hier in einer virtuellen Hommage an Jean Keller gezeigt werden.
Seine Ausbildung und erste Jahre im Beruf
Jean Keller, der am 28. März 1844 in Darmstadt als Johann Heinrich Cornelius geboren wurde, war der Sohn des Zimmerermeisters Georg Keller und Sybilla von Kaick. Nachdem er in Darmstadt die Schule besucht und anschließend wahrscheinlich eine Ausbildung im Zimmererhandwerk absolviert hatte, besuchte er im Wintersemester 1863-1864 die Gewerbeschule. Anschließend wechselte er an die Technisches Schule, die als Vorgängereinrichtung der Großherzoglichen Hessischen Polytechnischen Schule Darmstadt (1868) gilt. Keller lernte u.a. unter Balthasar Harres, welcher als Architekturprofessor in Darmstadt wirkte. Nach seinem Abschluss unternahm Keller weiterführende Bildungsreisen nach Prag und vermutlich Wien, bis er 1867 in das erst ein Jahr zuvor gegründete kleine und unbekannte Büro des Zivilingenieurs Friedrich Beckmann eintrat. Arbeiten aus dieser Zeit sind heute nicht bekannt. Nur fünf Jahre später, am 02. Januar 1872, übernahm Jean Keller das Büro. 1875 erhielt er das Augsburger Bürgerrecht.
Die Familie
1871 heiratete Jean Keller die Augsburgerin Justine Dietrich, die jedoch nur fünf Jahre später verstarb. 1878 folgte dann die Eheschließung mit deren Schwester Johanna Auguste Dietrich.
Der mittlerweile sehr erfolgreiche Jean Keller hatte sich einen Namen als "führender Architekt der Gründerzeit in Augsburg" gemacht und errichtete 1888 sein eigenes Wohnhaus in der Volkhartstraße 2, später folgte das Gebäude in der Volkhartstraße 4. Sein Büro hatte er zuletzt in der Kasernstraße, in welchem auch seine Söhne Karl und Heinrich mitarbeiteten und ihn, besonders mit fortgeschrittenem Alter, unterstützten.
Am 20.November 1921 starb Jean Keller mit 77 Jahren und hinterlässt seine Frau und vier Kinder. Karl und Heinrich führten das Architekturbüro ihres Vater zunächst weiter, jedoch orientierten sich beide wenig später neu und der Verwandte Adam Keller übernahm das heute noch erhaltene Büro.
Allgemeine Phantasiebegabung & Bauaufträge
In seiner Schaffensweise war Jean Keller ein vielseitiger Architekt. Durch die Erfahrungen und Kenntnisse, die er in historischen Stilen sammelte, aber auch durch seine besondere Phantasiebegabung konnte sich Keller in die Wünsche seiner meist privaten Bauherren hineinversetzen und diese erfüllen.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten erlangte er besonders in den 80er Jahren zahlreiche bedeutende Bauaufgaben. Sein Büro "Fa. Jean Keller" wurde beauftragt mit dem Entwurf von Möbeln, der Ausstattung und Möblierung unterschiedlicher Bauten, mit Miets-, Wohn- und Kaufhäuser, Verwaltungs- und Ausstellungsgebäude, sowie zahlreichen repräsentativen Villen und Fabrikbauten. Auch Kranken- und Pflegeanstalten und Kirchen gehörten zu seinem Repertoire. Die Vielfältigkeit Jean Kellers definierte sich allerdings nicht allein durch die breit gefächerte Auswahl von Gebäudetypologien, sondern vielmehr auch durch die Varianz der Baustile, die er verwendete. Sein zunehmender Erfolg ermöglichte es ihm außerdem, mehrere Grundstücke zu erwerben, auf denen er Entwürfe zu eigenen Wohn- und Mietshäuser unabhängig von den Wünschen eines Bauherren errichten konnte.
Jean Keller gehörte zwischen 1880 und 1920 zusammen mit den Architekten Karl Albert Gollwitzer, Hermann Dürr und einigen anderen zu den bekanntesten Baumeistern Augsburgs und bedeutendsten Vertretern des historistischen Eklektizismus, in welchem Stilelemente verschiedener Epochen in einem Gebäude vereint wurden. Bis heute gilt er als führender Architekt der Gründerzeit in Augsburg, der durch seinen gründerzeitlichen Großstadtstil versuchte, verschiedenste Baustile neu aufleben zu lassen. Nach der Jahrhundertwende machte sich bei Jean Keller außerdem der Einfluss des Jugendstils bemerkbar.
Viele seiner Werke fielen jedoch dem Zweiten Weltkrieg und der Zerstörungs-Euphorie der Nachkriegsjahre zum Opfer. Auch sein Nachlass wurde 1944 bei einem Bombenangriff zusammen mit seinem Wohnhaus zerstört; so ist es nicht verwunderlich, dass sich eine Aufarbeitung seines Lebenswerks trotz geringer zeitlicher Distanz als schwierig erweist.
Die Freundschaft zu Friedrich Hessing
Über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten war Jean Keller außerdem als Hausarchitekt Friedrich Hessings tätig. Seine ersten Entwürfe dienten der Umgestaltung der ersten Hessischen Kuranstalt. Er erbaute die neue Heilanstalt mit den Kur- und Wirtschaftsgebäuden, die Kirche St. Johannes sowie das Kurhaustheater. Er arbeitete aber auch an weiteren Kuranlagen außerhalb Augsburgs, die Hessing besaß, wie beispielsweise in Bad Kissing, Bad Reichenhall und in Wildbad bei Rothenburg.
Die beiden Männer verband die "Leidenschaft für das Bauen und der Wille der repräsentativen Darstellung mit den Mitteln der Architektur". So kann davon ausgegangen werden, dass die meisten Entwürfe für seine Gebäude bis zu einem gewissen Grad von Hessing beeinflusst wurden.
Besonders die Pläne des Kurhaustheaters in Göggingen scheinen im Bezug auf die Konzeption der Gebäude und deren vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten und ihrer damit verbundenen Zweckmäßigkeit auf Ideen des Erfinders Hessing zurückzugehen.
Die Schwäbische Kreisausstellung 1886
Jean Keller knüpfte auch enge Kontakte zur städtischen Bauverwaltung unter dem damaligen Stadtbaurat Ludwig Leybold durch den Entwurf einiger Gebäude an der schwäbischen Kreisausstellung 1886. Bei dieser sogenannten «Schwäbischen Kreis-, Industrie-, Gewerbe- und Kunsthistorische Ausstellung» an der heutigen Gögginger Straße präsentierten mehr als 900 Aussteller die unterschiedlichsten Waren. Neben einer kunsthistorischen Schau alter Gemälde und Waffen, war auch das Gewerbe und Handwerk vertreten, das u.a. Mauersteine, Spirituosen, Mineralwasser, Teppichen und Möbel zeigte. Auch der landwirtschaftliche Bereich mit Obst- und Gartenbau, Fischerei und Geflügelzucht war repräsentiert. Über 700.000 Menschen besuchten im Laufe von vier Monaten die Kreisausstellung.
Ausgewählte Jean Keller - Bauwerke in Augsburg
Lydia Strobl, Hochschule Augsburg